Ist Sport ein Allheilmittel?
Jörg Zittlau Köln Ein Forscherteam der University of Illinois ließ 32 Testpersonen sechs Wochen lang ein Fitness-Training durchführen, es bestand aus drei Trainingseinheiten pro Woche für jeweils 30 bis 60 Minuten. Vorher, nachher und noch einmal sechs Wochen später untersuchte man die Darmflora der Probanden. Das Ergebnis: Das Training veränderte die Darmbesiedlung zugunsten von Bakterien, die für die Produktion von Butyraten zuständig sind. Das sind kurzkettige Fettsäuren, die Entzündungen hemmen und die Bildung gesunder Darmzellen anregen. „Unsere Testpersonen hatten ihre ursprüngliche Ernährung beibehalten“, erläutert Studienleiter Jeffrey Woods, „die Veränderung ihrer Darmflora musste also mit ihrem Sport zusammenhängen.“ Allerdings war sechs Wochen nach dem Sportprogramm von dem Darmflora-Effekt kaum noch etwas übrig. Wenn Sport also etwas bringen soll, muss man dranbleiben.
Seine Studie belegt, wie weit die positiven Veränderungen durch Sport reichen können. „Er ist zwar kein Universalheilmittel“, betont Wilhelm Bloch von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, „aber er hat eine universale Wirkung, durch die man praktisch alle Organsysteme positiv beeinflussen kann“. Denn der Mensch sei von seiner Evolution her „ein Bewegungstier“, das sich aber im Alltag der Wohlstandsgesellschaft nicht mehr entfalten kann. „Und da vermag Sport als Korrektiv anzusetzen“, erläutert Bloch.
Bloch selbst forscht an der Sporthochschule Köln zum Einsatz von Sport in der Behandlung von Multipler Sklerose (MS). Sport treibende MS-Patienten zeigten in Studien weniger Entzündungen im Gehirn – und sie schnitten in Konzentrations- und Gedächtnistests besser ab.
Neurowissenschaftler der Universität Magdeburg ließen 40 Männer und Frauen zwischen 60 und 77 Jahren entweder drei Monate lang auf einem Laufband trainieren oder körperlich weniger beanspruchende Dehnungs- und Entspannungsübungen durchführen. Am Ende zeigten die Teilnehmer der Sportgruppe eine bessere Durchblutung im Hippocampus, einem zentralen Hirnareal für das Gedächtnis, und als man mit ihnen einen Test zum Einprägen von abstrakten Abbildungen durchführte, schnitten sie ebenfalls besser ab. Wobei solche Effekte, wie Bloch betont, nicht nur mit der verbesserten Durchblutung im Gehirn zusammenhängen: „Sport regt auch die Bildung neuer Nervenzellen und Synapsen an.“ Dadurch könne er in der Therapie neurogenerativer Erkrankungen wie Demenz und Parkinson eine wichtige Rolle spielen.
Sport wird von Medizinern vor allem wegen seiner positiven Effekte auf Herz und Kreislauf geschätzt. Und die meisten Menschen wissen, dass ihnen Sport guttun würde – und trotzdem können sie sich nicht dazu durchringen. Die Vorstellung, dreimal pro Woche durch den Wald zu joggen, macht ihnen Angst. Doch das ist auch gar nicht nötig: Es geht weniger um den Sport als um die Bewegung. Wer täglich in flottem Tempo spazieren geht, ist ebenfalls auf einem guten Weg. Und wer das zeitlich nicht einrichten kann, kann selbst als „Weekend-Warrior“ viel erreichen. „Es zählt, dass ich Sport mache“, so Bloch. „Und nicht, wann er auf dem Kalender steht.“
Quelle: www.shz.de